16.1 Der zweite Ergänzungssatz für ln

In dem vorliegenden Brief sehen wir Artin an der Arbeit, genauer an der Rechenarbeit. Er vermutet, anscheinend aufgrund numerischer Evidenz, die Gültigkeit der im Brief eingerahmten Formel für das ln-te Potenzrestsymbol.143 Es handelt sich um den 2.Ergänzungssatz. Artin arbeitet hier im Körper k = Q(n V~  --
l 1) der ln-ten Einheitswurzeln; dort ist cn ein Primelement für den (einzigen) Primteiler l von l. Artin setzt voraus, dass a  =_ 1 mod cn ; dies garantiert zwar noch nicht, dass l unverzweigt ist in k(ln V~ a-), d.h. dass a ln-primär ist für l. Wenn aber a ln-primär ist, so stellt Artin fest, dass nach der „Hasseschen Formulierung des Reziprozitätsgesetzes“ 144 gilt:

(  )   (  )   (  )
 a-  =   a- =   c-  .
  l      c      a

Demnach liefert dann die eingerahmte Formel dieses Briefes, im Körper der ln-ten Einheitswurzeln, auch eine explizite Formel für das Symbol (a-)
  l, das er im Brief Nr.14 vom 6.8.1927 diskutiert hatte. (Dort schrieb Artin m statt a.) Siehe 14.2.

Für den Exponenten l erscheint die eingerahmte Formel bereits in der gemeinsamen Arbeit von Artin und Hasse aus dem Jahre 1923. Jetzt geht es also darum, sie für l2 und allgemeiner für beliebigen Exponenten ln zu beweisen.

Zwar kann Artin diese Formel nur in den von ihm angegebenen speziellen Fällen beweisen. Er teilt Hasse alles mit, was er darüber weiß, in der Hoffnung, dass Hasse da etwas einfällt, weil seine (Artins) rechnerische Geduld nicht ausreicht, weil er aber andererseits fest davon überzeugt ist, dass dies der zweite Ergänzungssatz im Kreiskörper ist. Im nächsten Brief Nr.17 vom 27.10.1927 werden wir sehen, dass Hasse in der Tat einen Beweis liefern kann. Die Formel ist dann in die gemeinsame Arbeit von Artin und Hasse [AH28] eingegangen. Überdies gilt die Formel nicht nur im Kreiskörper selbst, sondern in jedem Zahlkörper k, der die ln-ten Einheitswurzeln enthält.