Lieber Herr Hasse!
Vielen Dank für Ihren Brief. Nach kurzem Aufenthalt in Hamburg bin ich nach Berlin gefahren7 und hier zum Arbeiten gekommen. Darüber möchte ich einiges erzählen:8
1.) Mich störte in Ihrem Bericht der Satz auf Fahne 73, Zeile 10 von
oben.9
Hier haben Sie die vollständige Definition von L(s,
):
Sei
Primideal,
die zugehörige Substitution in K/k, die aber nicht
eindeutig bestimmt ist,
die Trägheitsgruppe, e ihre Ordnung. Man
setze:


) hat auch eine ganz
normale Produktentwicklung der Form

eine gewisse,
zugeordnete Matrix (die auch 0 sein kann) ist und nur
Einheitswurzeln als char[akteristische] Wurzeln hat.
Alle Relationen und Sätze gelten jetzt von vornherein genau.
2.) Mich störte noch viel mehr die Bemerkung auf Fahne 72, Absatz nach Satz
XI.10
Daher kann ich Ihnen jetzt auch die vollständige Funktionalgleichung angeben, in
der lediglich die „Gausssche Summe“ W(
) mit dem Absolutbetrag 1 nicht direkt
angegeben ist.
Die genaue Funktionalgleichung lautet: Es ist



-en Primideale von k und zwar ist:

i zu erklären.
i,
bedeutet eine reelle Bewertung von k, ein
Primteiler
i,
bedeutet eine Fortsetzung dieser Bewertung auf K. Dabei sei
der grösste in K enthaltene reelle Körper (also der Zerlegungskörper von
i,
).
Man zeigt leicht, dass K in bezug auf
höchstens relativ quadratisch ist. Die
Gruppe zu der
gehört habe die Erzeugende
i. (Dann ist also jedenfalls
i2 = 1
oder sogar schon
i = 1). Das ist das
i. Es ist die Zerlegungsgruppe von
i,
.
Aus dem bisherigen folgt schon, dass alle Exponenten in
(s,
) positive ganze
Zahlen sind, so dass L(s,
) auch für R(s) < 0 regulär und unverzweigt ist. In
R(s) < 0 hat L(s,
) nur Nullstellen angebbarer Ordnung in 0,-1,-2,-3,….
Es bleibt noch das Zeichen
(
,K/k) zu erklären, das ich den Führer des
Charakters
nenne. Ich gebe ihn gleich vollständig an.
Sie werden jetzt an Heckesche Grössencharaktere denken und an die
Beziehungen zur Relativdiskriminante. Natürlich geht das, es ist aber nicht
erforderlich, da das im Folgenden angegebene
von vornherein die gewünschten
Eigenschaften hat.
3.) Damit bin ich bei dem Teil angelangt der mich noch mehr interessiert als das Vorangehende. Es ist die Verallgemeinerung der Diskr[iminanten]-Führerformel auf beliebige Körper.11
Es sei
die Trägheitsgruppe,
i die i-te Verzweigungsgruppe, e die Ordnung
von
, pRi die von
i. Endlich durchlaufe
die Gruppe
,
i die Gruppe
i. Die
Auswahl von
und
i bei gegebenem
des Grundkörpers ist gleichgültig
(sie hängt ja noch vom gewählten Primteiler in K ab; dabei sei K/k
galoisch).
Man setze jetzt


aus dem Grundkörper k. Das ist das
(
,K/k) aus der
Funktionalgleichung. Es hat folgende Eigenschaften:
a) Es ist ein ganzes Ideal aus k. Das ist der tiefste Satz und zwar der, der alles
über Trivialitäten erhebt. Dass der Exponent von
grösser gleich 0 ist, ist sofort
zu sehen. Das schwere ist der Nachweis, dass er ganz ist. Aber auch das ist mir
gelungen.
b) Ist K1/k auch galoissch und K
K1,
aber schon in K erklärbar, dann
ist

c) Ist
Zwischenkörper,
ein Charakter in K/
und 
der induzierte
Charakter, so gilt:


/k die Relativdiskriminante (
(1) steht im Exponenten), N
/k das
Zeichen für Relativnorm.
d) Für den Hauptchar[akter] ist
(
) = 1.12
Setzt man also für
den H[aupt]ch[arakter] ein, so folgt:

e) Ist K abelsch, so ist
(
,K/k) der Führer der Klassenkörpertheorie. Das ist
leicht zu zeigen, auf diesem Satz basiert a) und ist der tiefste Schluss
bei a).
f) Ist K der kleinste galoissche Körper in dem
(
,K/k) erklärbar ist, so
gehen in
genau diejenigen Primideale aus k auf, die in K verzweigt
sind.
g) Ist k der Körper der rationalen Zahlen, so ist
(
) = 1 dann und nur dann,
wenn
der Hauptcharakter ist.
h) Ist k beliebig,
ein gegebenes Ideal, N eine Schranke für den Grad von
K/k, so tritt
als Führer nur in einer beschränkten Menge von Relativkörpern
mit höchstens dem Grad N auf, wenn immer der kleinste Körper genommen wird
in dem
erklärbar ist.
i) Konjugiert algebraische Charaktere haben gleiche Führer.
Das ist vorläufig das Wichtigste was ich zu erzählen
habe.14
Ich habe vorher viel über
n-primär gerechnet, aber nichts
herausbekommen. Die Arbeit von Weddle ist mir leider
unzugänglich.15
Lediglich
2-primär konnte ich schaffen. Eine Basiszahl dafür lautet

2-primär ist, ist notw[endig] und hinreichend:

Aber damit habe ich weiter nichts anfangen können. Die Basis für
3-primär
habe ich auch noch bestimmt, sie ist aber so kompliziert dass man ihr nichts
ansehen kann.
Sie sind doch nicht böse wegen der „Einführung“ bei 1.) und 2.). Sie sind natürlich nur Scherz.
Bis zum 25.September bin ich noch in Berlin unter der Adresse
Dann bis etwa 8.Oktober in
Reichenberg, Tschechoslovakei, Felgenhauerstrasse 20.
Leider habe ich Ihre Karte mit der neuen Anschrift in Hamburg vergessen. Sie kommen aber doch wohl mal in die Universität.
Mit den besten Grüssen auch an Frau Gemahlin und auch von meiner Frau
Ihr Artin
Die neuen Ergebnisse stützen doch sehr die Vermutung der Ganzheit von
L(s,
).16
Kommentare zum Brief Nr.30:
n-primär