Inhalt:
Lösbarkeit von -1 = x2 + y2 in einem endlichen Körper trivial. Lokal-Global-Prinzip für
quadratische Formen in Funktionenkörpern höheren Transzendenzgrades? Zur
Diskriminanten-Arbeit; Vergleich mit Ostrowski.
Göttingen, 1. 11. 27
Lieber Herr Hasse!
Herzlichen Glückwunsch zum Töchterlein, dem Sonntagskind! Gibt es eigentlich schon ein Brüderchen?
Daß die Lösbarkeit von -1 = x2 + y2 in Pp trivial ist, hatte ich schon bald selbst bemerkt; ich kann aber so etwas nur auf dem Weg über Quaternionenkörper oder ähnlichem finden! 1)
Der Brauersche Ansatz reicht für die beabsichtigte Anwendung - Nichtbeschränktheit der Gradzahlen - aus 2); Ihr Resultat gibt aber darüber hinaus viel genauere Einsicht und ist vor allem wertvoll, weil man so wenig über die Zerfällungskörper der nichtkommutativen Körper weiß. Was wir an allgemeinen Einbettungssätzen haben, kommt ohne Beweis in die Note.
Ich glaube, daß man auch im Falle der höheren Transzendenten3) schon soviel Idealtheorie hat, um Ihre Darstellungstheorie durch quadratische Formen anfassen zu können. Denn - wie schon Kronecker im wesentlichen gezeigt hat - gilt ja für die Ideale höchster Dimension die klassische Theorie. Sie finden das am einfachsten auseinandergesetzt in meiner 5-Axiome-Arbeit, Ann[alen] 96, wo ich in §3, 4, diese Theorie einordne. Daß man Arithmetik im üblichen Sinn hat, sehen Sie an meiner Diskriminanten-Arbeit4), wo der Funktionalbereich ebenfalls mit umfaßt ist; auch an der dort zitierten Arbeit von Ostrowski, Gött[inger] Nachr[ichten] - Ostrowski macht die Theorie der Differente u.s.w. im Anschluß an die Kroneckerschen Definitionen.5) Es sollte mich sehr freuen, wenn Ihre Theorie sich mit diesen Mitteln schon behandeln ließe; ich glaube auch nicht, daß man die viel kompliziertere Theorie der Ideale niederer Dimension zu Ihren Sachen braucht. Vermöge des Funktionalbereichs werden die Variablen - bis auf eine - im wesentlichen in die Einheiten hineingezogen; es muß also ungefähr wie bei Pp(x) sein.6)
Mit besten Grüßen, Ihre Emmy Noether.
1Offenbar hatte Hasse in seiner Antwort auf Noethers Frage im vorangegangenen Brief * geschrieben, dass die Darstellbarkeit von -1 als Summe von zwei Quadraten in einem endlichen Körper in der Tat wohlbekannt sei. Noether bezieht sich hier auf den Satz von Wedderburn, dass jede einfache Algebra über einem endlichen Körper zerfällt, insbesondere also auch die Quaternionenalgebra über dem Primkörper Pp mit p Elementen.
2In der gemeinsamen Note BraNoe:1927 konstruiert Brauer mit Hilfe eines elementaren Lemmas aus der Zahlentheorie minimale Zerfällungskörper für die Quaternionen, er benötigt also nicht das Hassesche Lokal-Global-Prinzip für ternäre quadratische Formen.
3Hiermit meint Noether Funktionenkörper von mehreren Variablen über einem Grundkörper.
4Gemeint ist die Arbeit Noe:1927 im Crelleschen Journal; vgl. dazu auch den Brief * vom 3. 11. 1926.
6Anscheinend glaubt Noether, dass das Hassesche Lokal-Global-Prinzip für quadratische Formen auch in Funktionenkörpern mehrerer Variablen gültig sein könne, wobei sie keine Spezifikation des Konstantenkörpers gibt; dieser sollte wohl entweder ein Zahlkörper oder ein endlicher Körper sein dürfen. Heute wissen wir, dass das in dieser Form nicht der Fall ist. Bei Funktionenkörpern einer Variablen über einem endlichen Körper - Prototyp ist der von Noether erwähnte rationale Funktionenkörper Pp(x) über dem Primkörper mit p Elementen - bleibt das Lokal-Global-Prinzip für quadratische Formen jedoch gültig. Dies wurde wohl zuerst verifiziert in der Dissertation des Hasse-Schülers Rauter 1926 in Halle. Noether scheint die Rautersche Dissertation, die niemals publiziert wurde, nicht zu kennen. Später äußert sie sich kritisch über eine weitere Arbeit Rauters, Rau:1928 , die im Crelleschen Journal erschienen war; vgl. Brief * vom 14. 5. 1928.