Helmut H. Schaefer 14. 2. 1925 – 16. 12. 2005

 

 

Helmut H. Schaefer, Mitglied der Heidelberger Akademie seit 1978, ist am 16. Dezember 2005 nach längerer Krankheit friedlich entschlafen. Er hinterließ ein in sich vollendetes wissenschaftliches Werk von höchster Qualität, das nahezu vollständig ein ganzes Feld der Gegenwartsmathematik ausmacht.

 

Geboren 1925 in Großenhain in Sachsen, trat Helmut Schaefer als Zwölfjähriger mit einem Hochbegabtenstipendium in das ihn stark prägende Sankt Afra-Internat in Meißen ein. In den letzten Schuljahren empfand er eine Faszination für die Mathematik, obwohl auch in Meißen, wie wohl in vielen humanistischen Gymnasien, die Mathematik und Naturwissenschaften recht stiefmütterlich behandelt wurden. Daneben entwickelte sich eine große Liebe zur Astronomie, die ihn im Laufe seines Lebens immer begleitet hat.

 

Schaefer wurde noch Ende 1944 zum Krieg eingezogen. 1946 begann er mit dem Studium in Leipzig, wo er 1951 bei Ernst Hölder promovierte. 1954 Habilitation in Leipzig. Die Assistenten- und Dozentenjahre brachten eine Hinwendung zur Funktionalanalysis, die damals noch eine sehr junge Disziplin war, sich aber bald zu einem Hauptpfeiler der modernen Analysis entwickeln sollte. 1956 erhielt Schaefer einen Ruf an die Universität Halle. Nach den Erfahrungen in zwei Diktaturen gab er jedoch diese Position 1957 auf und ging in die Bundesrepublik. Er fand hier einen freieren Zugang zu den Orten funktionalanalytischer Forschung. Ein Jahr arbeitete er in der Umgebung von Gottfried Köthe in Mainz. Es folgten 5 Jahre fast ununterbrochener Tätigkeit in den USA, zunächst an der Washington State University und sodann an der University of Michigan.

 

Seine Arbeiten in diesen Jahren betrafen die Grundlegung der Theorie der topologischen Vektorräume, und er erwarb sich dadurch ein großes wissenschaftliches Ansehen. 1963 erhielt er einen Ruf an die Universität Tübingen, den er annahm. Zahlreiche verlockende Rufe als full professor nach USA lehnte er ab, aber er hielt ständig enge Verbindung nach den USA, die ihm zur zweiten Heimat wurden.

 

1966 erschien seine Monographie über „Topological vector spaces“, das mehrere Auflagen erreichte und ins Russische und Spanische übersetzt wurde. Sein zentrales Forschungsthema war jedoch die Theorie der halb-geordneten lokal-konvexen Räume geworden, deren allgemeine Theorie er in drei grundlegenden Arbeiten in den Mathematischen Annalen entwickelt hatte: Band 135 (1958), 138 (1959), 141 (1960). Das wichtige Teilgebiet wurde von ihm in dem Buch „Banach Operators and Lattices“ 1974 dargestellt, das seitdem ein Standardwerk für die Forschung wurde. Schaefer war überall als der international führende Gelehrte in diesem Problemkreis anerkannt.

 

Trotz seiner hohen Leistungsanforderungen gelang es ihm als einem zurückhaltenden,  humorvollen, extrem sachorientierten Lehrer viele Schüler zu gewinnen, die insgesamt wesentliche Beiträge zur Weiterentwicklung der von ihm begründeten Theorie lieferten. 10 seiner Schüler wirken als Professoren an renommierten Universitäten.

 

Sich seiner Verantwortung gegenüber der Wissenschaft stets bewusst übernahm er wichtige Ämter wie das des Institutsdirektors, des Dekans und des Vorsitzenden des Diplomprüfungsausschusses (letzteres bis zu seiner Emeritierung), sowie als Mitglied verschiedener wissenschaftlicher Leitungsgremien. Seine Toleranz und sein natürliches Harmoniebedürfnis ließen ihn in Konfliktsituationen oft optimale Lösungen finden, ohne dass er sich selbst gegenüber je untreu wurde. Sein gerne gewährter Rat wurde deshalb zu jeder Zeit gesucht.

 

Helmut H. Schaefer war auch Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Zaragoza (Spanien).

 

Seine wissenschaftliche Aktivität dauerte bis etwa 2000 an, ehe er sich intensiv und ausschließlich der Astronomie – seinem Hobby  seit vielen Jahren – zuwandte. Vor allem durch das humanistische Gymnasium geprägt und aufgrund seines Widerwillens gegen jedwede Ideologie war Helmut Schaefer ein vorbildlich toleranter Forscher und Lehrer, der dennoch  seine wertkonservativen Prinzipien zu leben versuchte – die Humboldtsche Universität war sein Ideal.

 

Peter Roquette, Manfred Wolff.

 

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