Mathematik und Kultur 1. Juni 2009. Kommentare. __________________________________________________________________
Zu Blatt 9 (Arabische Mathematik)
Das gezeigte Ornament an einer Moschee in Kairo soll repräsentativ stehen für die hohe islamische Kultur im frühen Mittelalter, genauer: von etwa 800 bis 1400 n.Chr. Nach den großen Eroberungen des Islam, von Indien bis nach Afrika und Spanien, folgte eine Zeit der Aufnahme und Aneignung der Kulturen der eroberten Gebiete. Schon früh wurden astronomische und und mathematische Abhandlungen aufgrund von indischen und persischen Quellen in arabischer Sprache angefertigt. Es wurden astronomische Observatorien gebaut. Die heute noch vorhandenen Baudenkmäler zeugen von der hoch entwickelten Baukunst.
Unter der glanzvollen Regierung des Kalifen Harun al Rashid in Bagdad (786-809) wurde eine große wissenschaftliche Bibliothek und ein Übersetzungsinstitut errichtet („Haus der Weisheit“). Die Kalifen ließen überall nach wissenschaftlichen Werken suchen, die dann ins Arabische aus vielen Sprachen übersetzt wurden: aus dem Sanskrit, dem Persischen und dem Griechischen. Durch diese Übersetzungen wurden die wissenschaftlichen Erkenntnisse anderer Kulturen den arabischen Wissenschaftlern zugänglich gemacht, die sie aufnahmen und weiter entwickelten.
Ich kann hier nicht alle arabischen Mathematiker aufzählen, die sich einen Namen gemacht haben. Bei uns am bekanntesten ist wohl Al-Khwarizmi (ca.780-850). Er stammte aus der Region Khwarizm, südlich des Aralsees. Er hat die meiste Zeit seines Lebens in Bagdad verbracht, und arbeitete im oben genannten „Haus der Weisheit“. Um 820 stellte er das Rechnen „mit indischen Ziffern“ vor, also unser heutiges Dezimalsystem. Die Besonderheit war dabei die Benutzung der Null, was auch aus der indischen Mathematik übernommen wurde.
Um das Jahr 830 beendete er sein bekanntestes Buch; er behandelte darin das, was wir heute als “Algebra” bezeichnen. Das arabische Wort “Algebra” wurde ins Lateinische und später in alle Weltsprachen übernommen. Auch der Name “Al-Khwarizmi” wurde (offenbar wegen eines Missverständnisses in der lateinischen Übersetzung) in die westlichen Sprachen übernommen; heute versteht man unter “Al-gorithmus” eine Rechenvorschrift.
Dieses Buch wurde vom 12. Jahrhundert an mehrfach ins Lateinische übersetzt und spielte eine große Rolle in der Entwicklung der Mathematik in Europa. Al-Khwarizmi schrieb auch Bücher über Astronomie und über Geographie.
Vom 12. Jahrhundert an etablierte sich im damaligen Kalifat Cordoba (Spanien) eine Übersetzertätigkeit, wobei die arabischen wissenschaftlichen Werke ins Lateinische übersetzt wurden. Wie es heißt, wurden die Übersetzungen meist von Juden angefertigt, die sowohl der arabischen als auch der lateinischen Sprache mächtig waren. Mönche aus Europa pilgerten nach Cordoba um dort zu lernen, oder jedenfalls die wissenschaftlicen Werke abzuschreiben und dann nach Hause mitzunehmen. Durch diese Kontaktstelle mit der bestehenden arabischen Wissenschaft wurde die Entstehung der wissenschaftlichen Kultur Europas wesentlich befördert. Auch viele griechische wissenschaftliche Texte sind auf diese Weise auf dem Umweg über das Arabische nach Europa gelangt.