Klassische und p-adische L-Funktionen

von Prof. Dr. O. Venjakob, Dr. Th. Bouganis, WiSe 2006.

Termin: Donnerstag, 14:00 s.t. HS 6.


Anmeldung: Bitte per e-mail bei Thanasis Bouganis bouganis@math.uni-bonn.de, es können schon vorab Vorträge vergeben werden


Beginn: Gültige Vergabe der Vorträge ( 19.10.06 ).


Der grundlegende Prototyp der Funktionen, die uns in diesem Seminar interessieren, ist die Riemannsche Zetafunktion §\zeta(s)=\sum_{n} n^{-s}$, in der §s§ eine komplexe Variable mit Re(s)>1 bezeichnet. Riemann bewies, dass diese Funktion eine analytische Fortsetzung auf $\C-{1}$ besitzt, einen einfachen Pol bei s=1 mit dem Residuum 1 hat und einer Funktionalgleichung genügt, die das Argument $s$ auf $1-s$ bezieht. Außerdem hat Riemann das Verhalten dieser Function an bestimmten ganzzahligen Argumenten $s=1-k$ mit $k>0$ erforscht. Er zeigte die merkwürdige Formel \zeta(1-k) = -\frac{B_k}{k}, wobei $B_k$ die k-te Bernoulli Zahl bezeichnet.

Der Riemannschen Zetafunktion stehen als unmiittelbare Verwandte die Dirichletschen $L$-Funktionen zur Seite, die wie folgt definiert werden. Sei $\chi:(Z/NZ)^* \rightarrow \C^*$ ein Dirichlet-Charakter. Zu diesem Charakter bilden wir die Dirichletsche $L$-Function $L(\chi,s)= \sum_n \chi(n)n^{-s}$, wobei $s$ eine komplexe Variable mit $Re(s)>1$ ist. Für den trivialen Charakter erhalten wir die Riemannsche Zetafunktion. Wie diese Riemannsche Zetafunktion besitzen auch die Dirichletschen $L$-Funktionen eine analytische Fortsetzung, aber hier auf die ganze komplexe Zahlenebene, wenn $\chi$ nicht trivial ist, und genügen einer Funktionalgleichung.

Sowohl die Riemannsche Zetafunktion als auch die Dirichletschen $L$-Funktionen sind dem Körper der rationalen Zahlen zugeordnet. Beide erfahren für einen beliebigen Zahlkörper $K$ eine Verallgemeinerung, die hier nur für die Riemannsche Zetafunktion eingeführt wird. Die Dedekindsche Zetafunktion des Zahlkörpers K ist durch die Reihe $\zeta_K(s)=\sum_a N(a)^{-s}$ definiert, wobei $a$ die ganzen Ideale von K durchläuft und N(a) ihre Absolutnorm bedeutet. Auch diese Funktion besitzt eine analytische Fortsetzung auf die ganze in 1 gelochte komplexe Zahlenebene und genügt einer Funktionalgleihung. Um den Zusammenhang zwischen den Dedekindschen Zetafunktionen und Dirichletschen $L$-Functionen zu demonstrieren, betrachten wir dem Körper $K=Q(\zeta_N)$ der $N$-ten Einheitswurzeln. Dann gilt, $\zeta_K(s) = zeta(s) \prod_{\chi \neq 1}L(\chi,s)$, wobei $\chi$ die Dirichletschen Charaktere von $(Z/NZ)^*$ durchläuft.

Man kann sich natürlich fragen, warum diese Funktionen für Zahlentheorie so wichtig sind. Eine der erstaunlichsten Erscheinungen der Zahlentheorie besteht darin, dass viele der tiefliegenden arithmetischen Gesetzmäßigkeiten eines Zahlkörpers in seiner Dedekindsche (oder Riemannsche für $Q$) Zetafunktion liegen. Zum Beispiel erwähnen wir die berühmte Klassenzahlformel. Wir haben shon gesagt, dass die Dedekindsche Zetafunktion $\zeta_K(s)$ eines Zahlkörpers $K$ einen einfachen Pol bei s=1 hat. Die Klassenzahlformel bestimmt den Zusammenhang zwischen dem Residuum dieses Poles und einer wichtigen algebraischen Invariante des Körpers, der Klassenzahl von K.

Aber auch die Teilbarkeit durch ein gegeben Primzahl $p$ von Werten der L-Functionen an ganzahligen Argumenten ist sehr wichtig für Zahlentheorie. Hier kann man den Satz von Herbrand und Ribet erwähnen. Ganz grob gesagt behauptet dieser Satz, dass aus der Teilbarkeit des Wertes der Zetafunktion die Existenz einer sehr spezifischen Erweiterung von Q folgt, die insbesondere starken lokalen Einschränkungen unterliegt. Der Ansatzpunkt dieses Satz sind die berühmten Kummer-Kongruenzen zwischen den Bernoulli Zahlen. Diese Eigenschaften der L-Funktionen werden in einer Konstruktion von Iwasawa verschlüsselt, der p-adische L-Funktion. Eins der Ziele dieses Seminars besteht darin, dass diese p-adische L-Funktion zu konstruieren. Sie ist ein zentrales Objekt der Iwasawa-Theorie.


Vorkenntnisse: Algebra, elementare Analysis.


Literatur:

[Hi]   Hida H., Elementary theory of L-functions and Eisenstein series, LMS Student Texts 26, Cambridge University Press, 1993.

[Kb]   Koblitz, N., p-adic numbers, p-adic analysis and zeta functions, GTM 58 Springer ,1977

[Neu]  Neukirch J., Algebraische Zahlentheorie, Springer Verlag, 1992.

[W]   Washington L., Introduction to Cyclotomic fields, GTM 83 Springer 1997.

Weiterführende Literatur zum Thema:

[DR]   Deligne P. and Ribet K., Values of abelian L-functions at negative integers over totally real fields, Inventiones Math. 59,(1980). 227-286

[Ka1]   Katz N., p-adic L-functions via moduli of elliptic curves, Proc. Symp. Pure Math. 29,(1975). 479-506

[Ka2]   Katz N., p-adic interpolation of real analytic Eisenstein series, Ann. of Math. 104,(1976). 456-571

[Ri]   Ribet K., A modular construction of unramified p-extensions of $Q(\mu_p)$, Inv. Math. 34,(1976). 151-162


Termine, Themen, Sprecher:

Datum # Thema Sprecher(in)
00.00.2006 1 Die Riemannsche Zetafunktion.
00.00.2006 2 Die Dirichletschen L-Reihen und verallgemeinerte Bernoulli Zahlen.
00.00.2006 3 Theta Reihen und Gamma Funktionen (I).
00.00.2006 4 Theta Reihen und Gamma Funktionen (II).
00.00.2006 5 Die Dedekindsche Zetafunktion.
00.00.2006 6 Die Klassenzahlformel.
00.00.2006 7 p-adische Analysis.
00.00.2007 8 p-adische L-Funktionen und Kummers Kongruenzen.
00.00.2007 9 Stickelbergers Elemente und Herbrands Theorem (I).
00.00.2007 10 Stickelbergers Elemente und Herbrands Theorem (II).
00.00.2007 11 Iwasawa Algebra, Verteilungen und Maße.
00.00.2007 12 Iwasawas Konstruktion der p-adischen L-Funktion
00.00.2007 13 Die p-adische L-Funktion als p-adische Mellin-Transformierte.